WILD: Herr Macron, Sie stehen ja innenpolitisch ganz massiv unter Druck. Die Gelbwesten haben einen Aufstand gegen Ihre Umverteilung der Gelder von ganz Unten nach ganz Oben organisiert, die Wähler haben Sie bei den Parlamentswahlen abgestraft. Haben Sie Angst, Sie könnten unter der Guillotine landen?
Macron: Natürlich. Um das zu verhindern, strebe ich eine ambitionierte Außenpolitik an. Ich will die Französinnen und Franzosen von der Innenpolitik ablenken. Deshalb lasse ich auch wieder französische Panzer rollen.
WILD: Richtung Moskau?
Macron: Na, zuerst auf dem Champs-Elysee bei der alljährlichen Parade zum Nationalfeiertag der Grand Nation. Dann schauen wir weiter.
WILD: Herr Macron, Sie werden ja immer wieder mit Napoleon verglichen und gelten als der zweite Sonnenkönig. Beide haben Frankreich auf den Zenit geführt. Werden Sie dasselbe tun?
Macron: Mein Anspruch ist es natürlich, Frankreich politisch zu dem zu machen, was es im Radsport schon lange ist: Zum Zentrum der Welt. Aber um dieses Ziel zu erreichen, fehlen mir anders als Bonaparte und Ludwig XIV. die Mittel.
WILD: Weshalb?
Macron: Ich habe ja nicht das militärische Genie Napoleons. Auch ist die Bevölkerung Frankreichs anders als zu Zeiten Ludwigs XIV. nicht mehr die größte in Europa. Daher dürfte es mir schwer fallen, Europa unter französische Vorherrschaft zu zwingen.
WILD: Hmm … wie kann Frankreich dann Weltmacht werden?
Macron: Indem es die Europäische Union anführt. Das Problem dabei ist, dass Frankreich dafür die Zustimmung der anderen EU-Mitglieder braucht. Jetzt hängen sich die Ostmitteleuropäer aber immerzu an die Amerikaner ran. Keine Chance also, die vom alten Kontinent zu vertreiben.
WILD: Und die Deutschen?
Macron: Ein schwieriger Partner.
WILD: Weshalb?
Macron: Ich sage es mal so: Würden Sie mit jemandem zusammenarbeiten wollen, der keine eigenen Interessen artikuliert und stattdessen immer auf irgendwelchen internationalen Prinzipien beharrt, an die sich doch sowieso niemand hält?
WILD: Und dennoch haben Sie sich sehr für die Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin eingesetzt.
Macron: Die gute Ursula ist ja nicht typisch deutsch. Die kennt keine Prinzipien, nur den reinen Machthunger. Und als Kommissionpräsidentin weiß sie, wem sie diesen Posten zu verdanken hat und wird entsprechend nach meiner Pfeife tanzen. Auch dadurch werde ich Europa zwar nicht beherrschen können, aber hohe EU-Subventionen für die französische Landwirtschaft herausschlagen. Und das sichert mir die Stimmen meiner Landwirte und rettet mich eventuell vor der Guillotine. He, he, he . . .
WILD: Herr Macron, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.