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Boris Pistorius: „… einen Funken Verstand …“

WILD: Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister, vielen Dank dafür, dass Sie sich unseren Fragen stellen.
Pistorius: Gerne doch. Schießen Sie einfach los.
WILD: Losschießen! Ha, ha, der war gut. Passend zu Ihrem Job als Verteidigungsminister. Also gut. Michael Stempfle von der ARD hat, bevor er als Pressesprecher ins Verteidigungsministerium gewechselt ist, eine Lobhudelei de luxe auf Sie verfasst. Wir fragen uns zweierlei: Ist eine solche Nähe zwischen Politik und Medien denn nicht für eine Demokratie schädlich? Und was von dem, was Stempfle gesagt hat, ist gerechtfertigt?
Pistorius: Ehrlich gesagt sollten Medienleute natürlich keine Elogen auf Politiker halten. Das ist schon klar. Auf der anderen Seite wiederum hat der gute Stempfle aber natürlich mit allem Recht gehabt, was er da gesagt hat. Und ich stehe in der Bevölkerung gut da als jemand, der Olaf Scholz beerben kann.
WILD: Sie schielen schon auf´s Kanzleramt? Jetzt?
Pistorius: Gerade jetzt. Die SPD ist in Umfragen im Keller. Da kann sie nicht einfach mit Scholz in die nächste Bundestagswahl gehen. Es braucht also einen neuen Kanzlerkandidaten. Und wer sollte da geeigneter sein als ich?
WILD: Wieso?
Pistorius: Weil ich den Überblick habe. Zum Beispiel in der Außenpolitik. Da weiß ich, wie ich Deutschland sicher durch die stürmische Zeit bringen kann und seinen Nutzen mehren werde. Sehen Sie, nehmen wir die Zwischenkriegszeit 1918 bis 1939 als Ausgangsmoment. Sie unterschied sich in Europa von der heutigen Situation in dreierlei Hinsicht.
WILD: Ja?
Pistorius: Ja. Im Gegensatz zu damals ist die Stellung der USA in Europa wesentlich stärker ausgeprägt. Innerhalb der führenden Westmächte hat sich ihre Dominanz ausgebaut, also gegenüber Großbritannien und Frankreich. Deutschland hat sich den Westmächten wiederum außenpolitisch unterworfen. Und Russland ist die Ukraine abhanden gekommen.
WILD: Eine glänzende Analyse.
Pistorius: Nicht wahr? Hinzu blicken die Ostmitteleuropäer anders als früher nicht mehr nach London und Paris, sondern nach Washington. Im Endeffekt haben die Amerikaner eine solche Machtstellung in Europa erreicht und ist die Situation für sie hier so günstig, dass ein Rückzug der Vereinigten Staaten völliger Humbug sein würde.
WILD: Sie meinen also, selbst Trump wird die Europäer nicht Putin überlassen?
Pistorius: Solange er nur einen Funken Verstand in sich trägt, nein. Hinzu kommt die Bedeutung Europas in der Welt, die die USA für sich nutzen können.
WILD: Wo wir schon beim Nutzen sind. Wie können Sie in einer solchen europäischen Großwetterlage den Nutzen Deutschland mehren?
Pistorius: Indem die Bundesrepublik unter meiner Führung im Windschatten der USA verbleibt und kräftig aufrüstet. Nicht, um in der Ukraine zu kämpfen, sondern um unser Militär in andere Teile der Welt zu schicken.
WILD: Wie dem Indopazifik?
Pistorius: Genau. Dadurch wird die internationale Rolle Deutschlands aufgewertet. Indem wir halt innerhalb des westlichen Rahmens bleiben, und nicht wie in der wilhelminischen Zeit gegen ihn arbeiten.
WILD: Gewiss. Jedoch, widerspricht eine solche Politik nicht der anti-imperialistischen Tradition der Sozialdemokratie?
Pistorius: Welcher Anti-Imperialismus? Meine Partei hat schließlich 1914 die Kriegskredite bewilligt. Sie sehen, ich befinde mich in guter Gesellschaft.
WILD: Hmm, ja. Herr Pistorius, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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