WILD: Herr Nouripour, derzeit fragen sich viele Menschen, was eigentlich in unserer Demokratie schiefläuft. Wir meinen, die Politiker bedienen offenkundig nicht mehr die Interessen weiter Teile der Bevölkerung, sondern nur noch diejenigen des Big Business. Wie lautet Ihre Antwort auf diese Frage?
Nouripour: Na, das Problem liegt im Prinzip darin begründet, dass der Mensch nicht für die direkte Demokratie geschaffen ist.
WILD: Wie?
Nouripour: Nun, das Problem gab es ja auch in Osteuropa, nur dort war es wirtschaftlicher Natur. Man kam dort auf die Idee, den Arbeitern Anteile an deren Firmen zu veräußern in der Erwartung, dass sich so ein Kleinunternehmertum herausbilden würde.
WILD: Und wo lag da der Fehler?
Nouripour: Darin, dass die Menschen nicht jeden Morgen den Wirtschaftsteil der Zeitung lesen! Die meisten von Ihnen wollten gar nicht Unternehmer sein, sondern arbeitend ihr Geld verdienen.
WILD: Und was hat das mit der Unreife des Volks für Politik zu tun?
Nouripour: Da hat man dasselbe in Grün. Die Menschen interessieren sich mehrheitlich nicht für die Feinheiten der Politik und sind deshalb auch nicht in der Lage, sich selbst zu regieren. Dazu brauchen Sie dann eine kleine gewählte Minderheit.
WILD: Und das Problem damit ist?
Nouripour: Dass diese Minderheiten auch nur aus Menschen bestehen und eigene, spezifische Interessen verfolgen. Beispielsweise: Wie komme ich an ausreichend Wähler heran? Dafür braucht es Geld! Und das kommt vom Big Buiseness. Folglich bedienen wir Parteien dessen Interessen. Daher braucht es eines Gegengewichtes zur Politikerkaste und zur Wirtschaftselite.
WILD: Wer soll dieses Gegengewicht sein?
Nouripour: In einer funktionierenden Demokratie sind das die Presseleute. Die haben aber auch ihre spezifischen Überzeugungen und Interessen, so dass sie mitunter unglaubwürdig werden. Die Alternativmedien könnten dieses Manko beheben, sie drehen aber wie bei Corona geschehen am Rad.
WILD: Wir fassen zusammen: Die Überwachung durch die Presse funktioniert nicht mehr, so dass die Politiker tun und lassen können, was der Wirtschaft gefällt.
Nouripour: Sie sagen es. Für die Bevölkerung bleibt indessen kaum ein Ausweg, denn die Linke hat versagt: Wir Grünen in der aktuellen Bundesregierung, die SPD beim Wohnungsbau, . . . Die Rechte wie die FDP, CDU und AfD sind hingegen noch extrem neoliberaler. Eigentlich bräuchte es eines Aufstandes wie in Frankreich . . .
WILD: . . . die Gelbwesten . . .
Nouripour: Ja. Das werden Sie in Deutschland aber nicht hinbekommen. Und Parteien, die sich dem Neoloberalismus widersetzen, werden von den Leitmedien weiter diffamiert werden.
WILD: Was folgt für Sie persönlich daraus?
Nouripour: Das ich mich nicht verändern werde. Ich werde weiter von Klimaschutz reden, gleichzeitig aber den Arbeitsmarkt weiter deregulieren. Damit bediene ich die Interessen der Konzerne und verdiene mir damit ein Zubrot für die Zeit nach der Politik.
WILD: Herr Nouripour, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.